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Von Zukunft und Vergangenheit

Mit Kopf, Elan und Präzision

Musica Bayreuth: Das Streichquartett Quatuor Hermès im Weißen Saal von Schloss Fantaisie

Musica Bayreuth 2024 - Quatuor Hermès im weißen Saal von Schloss Fantaisie mit Streiquartetten von Janáček, Fauré und Brahms
Ein Streichqartett von noch jungen Jahren und doch absolut hörenswert: Quatour Hermès - Omer Bouchez (Violine), Elise Liu (Violine), Yuko Hara (Viola) sowie Yan Levionnois (Cello) im Weißen Saal von Schloss Fantaisie - Foto: Harbach

Die Welt der Musik im Wandel

Vor dem Konzert war Schuhpflege angesagt. Des feines Kieses im Schlosspark wegen. Fuß und Schuh also bitte einzeln kurz in der dafür vorgesehenen Reinigungsmaschine platzieren: um dieses Prozedere kam an jenem Freitagabend kein Konzertbesucher umhin. Ja, so etwas hat man auch nicht alle Tage.

 Andererseits, der Aufwand war verständlich, denn das Parkett des weißen Saales in Schloss Fantaisie ist empfindlich. Dafür aber von erlesenem Geschmack. Wie im Übrigen auch der Saal an sich. Ein barockes Gedicht in strahlendem Weiß mit einigem goldenen Zierrat. Als Konzertsaal optisch eine Augenweide. Problematisch allerdings, was die Akustik betrifft. Und von daher mit Vorsicht zu genießen. Zurückhaltung ist hier geboten, ansonsten kann es, musikalisch gesehen, schnell unverständlich werden.

Kino für die Ohren

Omer Bouchez (Violine), Elise Liu (Violine), Yuko Hara (Viola) sowie Yan Levionnois (Cello) war dies, so der erste Höreindruck, durchaus bewusst. Wobei ihnen allerdings auch das erste Werk des Abends, Leoš Janáčeks Streichquartett Nr. 1, in die Hände spielte. Denn diese Komposition, für die Leo Tolstois Novelle „Kreutzersonate“ Pate stand, offeriert eine Musik, die sofort verfängt, weil sie direkt zu ihren Publikum spricht. Weil sie ohne Umschweife Stimmung kreiert. Da ist nichts, was langsam einsickern, aufblühen oder verstanden werden müsste. Da ist Dialog und Auseinandersetzung, da ist Konflikt, da ist Drama. Ein geniales Stück Musik. Das, nebenbei bemerkt, auch weit in die Zukunft weist. Geschichten erzählen, dadurch Emotionen kreieren, das ist das Prinzip des heutigen Musikbusiness.

Und genauso präsentierten die Vier von Quartuor Hermès dieses Werk: Direkt in der Ansprache, Akzente durchdacht und präzise gesetzt, Bilder mit Tiefe schaffend –ja, diese Interpretation hatte emotionale Wucht. Gerade auch der auferlegten Zurückhaltung wegen. Es sind schließlich die leisen Töne, die Veränderung ankündigen, die Drama schaffen. Das war wahrlich großes Kino für die Ohren.

Gänzlich anderer Charakter

 Das zweite Werk des Abends, Gabriel Faurés Streichquartett op. 121, ist da von gänzlich anderem Charakter. Interessanterweise trennt Janáčeks und Faurés Quartette, was ihre Entstehungszeit anbetrifft, nur ein Jahr: 1923 zu 1924. Doch dazwischen liegen Welten. 

Denn Faurès Komposition ist ein einziger Blick zurück, eine Art Meditation; man tauscht Gedanken aus, spinnt diese weiter, wendet sie hin her. Hier, so der Eindruck, reflektiert einer sein Leben. Im Ergebnis steht ein vielstimmiger Dialog, dem mitunter nicht leicht zu folgen war. Und dass, obwohl Bouchez, Liu, Hara und Levionnois auch hier mit Bedacht, Akuratesse und sorgfältiger Phrasierung für Struktur und Ordnung sorgten. Dennoch, dieses Werk ist, aller melodischen Schönheit zu Trotz, eine gewisse Spröde nicht abzusprechen, vielleicht auch deshalb, weil es derart rückwärts gerichtet ist.

Machtvoll strömende Musik

Johannes Brahms berühmtes zweites Streichquartett – die Vier präsentierten es nach der Pause – bildete, so gesehen, die Synthese der vorangegangenen Kompositionen. Ein durch alle Instrumente mitunter doch recht emotional geführter Dialog mit pointiert gesetzten Themen, die förmlich dazu einladen, sich der machtvoll strömenden Musik völlig hinzugeben. Hier die Contenance zu behalten, ist, das sei zugegeben, schwierig. Wäre aber, der Überakustik im Saal zuliebe, besser gewesen. Weshalb es mitunter – speziell, wenn das Cello „aufmachte“ – einfach nur unverständlich laut wurde. Schade, irgendwie.

Und so gab es, um ein Resümee zu ziehen, in diesem bemerkenswerten Konzert das Beste diesmal nicht am Schluss, sondern gleich zu Anfang. Aber das war ein echtes Erlebnis. Langanhaltender, begeisterter Applaus.

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